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Das Glück des Gehens
Wanderblog

Das Glück des Gehens

Aktualisiert am

19. Oktober 2022

Autor

DerSchatzn

Lesezeit

8 Min.

Inhaltsverzeichnis

Aktualisiert am 19. Oktober 2022 von Christian

Was macht uns zu Menschen? Die meisten denken dabei an unser großes Gehirn oder unsere Sprachkenntnisse. All das spielt laut Wissenschaft auch eine wichtige Rolle. Aber wie es die Eingangsfrage vermuten lässt, gibt es noch einen anderen Faktor, der uns menschlich macht. Nämlich die Art, wie wir gehen, also aufrecht – auf zwei Beinen. Es macht uns als Spezies einzigartig. Wir Menschen sind, was wir sind, weil wir diese außergewöhnliche Fähigkeit haben. Aber der moderne Mensch ist lauffaul geworden. Statt zu Fuß fährt er lieber zwischen Bett, Arbeitsplatz und Sofa hin und her – überspitzt dargestellt. Das sollte sich ändern. Gehen ist laut Wissenschaft das Beste, was Du für deinen Geist und Körper tun kannst. Ich erkläre dir, was in unserem Gehirn vorgeht.

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Gehen geht nur mit GEHirn

Um über Gehen als Sport zu sprechen, muss ich etwas ausholen. Beginnen wir mit einem anderen Lebewesen: der Seescheide. In ihren frühen Entwicklungsstadien hüpft eine junge Seescheide auf der Suche nach Nahrung in Felsenbecken im Meer auf und ab. Um diese Bewegung zu ermöglichen, entwickelte sie Auge, Gehirn und Rückenmark. Aber irgendwann durchläuft jede Seescheide eine dramatische Transformation: Sie beschließt, auf einem Felsen zu bleiben, klammert sich daran – und bewegt sich nie wieder dort weg. Sie sitzt dort fest. Am Ende frisst sie sich quasi auf. Sie frisst ihr Gehirn, Augen und Rückenmark. Warum? Naja, sie hat es überhaupt nicht benutzt.

Aber warum schreibe ich das? Weil wir davon eine wichtige Lektion lernen können. Wenn Du dich nicht bewegst, kannst du im wahrsten Sinne des Wortes genauso gut dein Gehirn auffressen.

Aber jetzt mal wieder raus aus dem Meer. Obwohl wir viel mit unseren Vorfahren gemeinsam haben, ist das menschliche Gehen einzigartig. Selbst Affen benutzen oft alle ihre Gliedmaßen, um sich zu bewegen. Warum entwickeln wir also einen aufrechten Gang? Nun, unser zweibeiniger Ansatz funktioniert besonders gut. Wir können größere Entfernungen zurücklegen und praktischerweise noch zusätzlich Kinder, Waffen oder Nahrung transportieren.

Nachteil: Das Gehen auf zwei Beinen ist ermüdend. Und es ist schwer zu lernen. Ein Kleinkind macht durchschnittlich 2.368 Schritte pro Stunde – und fällt dabei etwa 17 Mal ins Gesicht.

Dass wir Menschen diese komplexe Aufgabe vollumfänglich meistern können, haben wir unserem Gehirn zu verdanken. Bis heute kämpfen Roboter mit einer menschenähnlichen Gehkunst. Eine Sache, in der unser Gehirn besonders gut ist, ist das Gleichgewicht. Es führt ständig Berechnungen durch, um unsere Position zu kalibrieren. Es versucht, die Linie zwischen Augenwinkel und Gehörgang parallel zum Boden zu halten. Mit anderen Worten – Gehen scheint einfach zu sein, erfordert aber viel Gehirnleistung.

Das Rückenmark steuert den zentralen Mustergenerator, der für die rhythmischen Muster des Körpers verantwortlich ist. Diesen Rhythmus brauchen wir zum Beispiel für die Atmung oder den Herzschlag – und für den aufrechten Gang. Das Rückenmark ist und bleibt wichtig. Du erinnerst dich: Erwachsene Seescheiden fressen ihr eigenes Rückenmark, sobald sie sich an den Felsen festsetzen. Wir Menschen benutzen unser Rückenmark und Gehirn, um durch die Welt zu gehen, ohne lebenslang an Felsen kleben zu müssen.

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Das Geheimnis der inneren Brieftaube

Fassen wir noch einmal zusammen: Gehen ist eine große Leistung des Gehirns. Denn nicht nur die Mechanik des Gehens allein erfordert Hirnleistung. Das Gehirn muss auch herausfinden, in welche Richtung wir überhaupt gehen sollen. Das ist nicht immer einfach, wie ich selbst schon Mal erfahren musste als der Akku meines Smartphones bei einer Wanderung den Geist aufgab. Trotzdem hab ich den Weg nach Hause gefunden.

Aber wie hat das funktioniert? Ich habe einfach meinem Gefühl vertraut, meiner inneren „Brieftaube“. Die Fähigkeit, sich wie eine Brieftaube instinktiv in die richtige Richtung auf ein Ziel zuzubewegen, nennt man auch Pfadintegration. Die Pfadintegration ist ein angeborener Orientierungssinn, der auch unabhängig von visuellen Hinweisen funktioniert.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass unser Sehen nur eine geringe Rolle für unser räumliches Vorstellungsvermögen spielt. Beim Testen der Vorstellungskraft beispielsweise erzielten Menschen mit verbundenen Augen und Sehbehinderte ähnliche Ergebnisse wie Menschen mit gutem Sehvermögen.

Es gibt andere faszinierende Arten von Zellen im Gehirn, die zur Navigation durch die Welt verwendet werden können. Zum Beispiel die Kopforientierungszellen. Sie sind unser innerer Kompass. Es gibt auch Zellen, die auf Objekte in der Nähe reagieren.

Alles in allem verfügt das Gehirn mehr oder weniger über ein eigenes, ständig aktualisiertes GPS-Netzwerk. Um nicht gestört zu werden, muss das Umfeld stimmen.

Das schöne Spazieren

Stell dir einen lauen Abend an der italienischen Küste vor: Du beobachtest das abendliche Treiben unter freiem Himmel. Es riecht nach salziger Meeresluft. Grillen zirpen. In der Ferne leises Gelächter und Geschwätz. Dann siehst Du Einheimische, die eine sogenannte Passeggiata machen – durch die Nachbarschaft wandern und mit Freunden und Nachbarn plaudern. Ein Spaziergang wie dieser ist eine wunderbare gesellige und friedliche Art, einen langen Tag zu beenden.

In unserem geschäftigen und hektischen Alltag ist es wichtig, einen Moment der Ruhe in unseren Alltag einzubauen. Aber Städte machen es uns nicht gerade leicht. Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten und Ballungsräumen, Tendenz steigend. Bis 2050 könnte das auf 80 % oder 90 % steigen. Wie kommen all diese Leute zu ihrer Passeggiata? Was wir wirklich brauchen, ist eine fußgängerfreundliche Innenstadt. Als Reaktion auf das Bevölkerungswachstum der Städte konzentrierten sich Stadtplaner bisher jedoch eher auf einen ungestörten Verkehrsfluss in den Städten.

Aber was genau macht eine Stadt fußgängerfreundlich? Erstens müssen alltägliche Einrichtungen wie Geschäfte und Schulen fußläufig erreichbar sein. Dann müssen die Spazier- und Bummelmöglichkeiten in der Stadt hochwertig sein. Das heißt im Klartext: Bequem, sicher und lustig müssen sie sein. Die Straße sollte schön gestaltet sein, fast wie ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer.

Natürlich muss genügend Grünfläche vorhanden sein, die wie eine Oase in der Stadt zum Flanieren einlädt und nicht nur aus ein paar Hecken besteht. Einige Beispiele sind der Hyde Park in London oder der Central Park in New York.

Viele vergessen, dass eine begehbare Stadt auch an Senioren denken muss. Beispielsweise müssen Fußgängerüberwege so gestaltet werden, dass Senioren sie stressfrei passieren können.

Für viele klingt all das eher nach optionalem Luxus als nach unverzichtbaren Prioritäten. Aber die Vorteile fußgängerfreundlicher Städte sind enorm, nicht nur für Gelegenheitswanderer. Statistisch gesehen steigt die wirtschaftliche Aktivität, wenn die Menschen Geschäfte und Büros leicht erreichen können. Einige Ökonomen zeigen auch eine negative Korrelation zwischen der im Auto verbrachten Zeit und der wirtschaftlichen Produktivität. Aus politischer und wirtschaftlicher Sicht ist es daher wichtiger denn je, dass unsere Städte begehbar gebaut werden.

Intelligente Stadtplanung berücksichtigt die Vorteile des Gehens, und eine Passeggiata muss nicht nur ein italienischer Zeitvertreib sein. Aber vielleicht sollten Psychologen und Neurowissenschaftler Städte planen, nicht Stadtplaner und Architekten. Denn die wissen wahrscheinlich besser, wie man eine Großstadtwüste in einen Ort verwandelt, an dem Menschen besser gedeihen.

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Die medizinischen Vorzüge vom Gehen

Du kennst das: Nach einem langen Tag des Sitzens irgendwo – ob zu Hause oder bei der Arbeit – kann man sich schon mal sehr mies fühlen. Und die Wissenschaft bestätigt, dass eine sitzende Lebensweise die Persönlichkeit beeinflusst. Es hat sich gezeigt, dass die Verringerung der körperlichen Aktivität zu einer verringerten Extrovertiertheit, Offenheit und sozialen Akzeptanz führt.

Die Wissenschaft kann zwar noch nicht abschließend beantworten, warum diese Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Aber eine Lösung für dieses Problem wäre zum Beispiel was? Na das Gehen.

Schon der griechische Arzt Hippokrates wusste, dass Gehen die beste Medizin ist. Laut einer Studie aus den USA verbringen aber die meisten Menschen durchschnittlich 87 % ihrer Zeit in Innenräumen und gehen die meiste Zeit nicht zu Fuß.

Während diese Dinge sicherlich schwer zu messen sind, gibt es in der Forschung Hinweise darauf, dass Bewegung an der frischen Luft für unsere geistige Gesundheit wichtiger ist, als wir bereits vermutet haben. Beispielsweise könnten laut einer Studie zukünftige Depressionsraten um etwa 12 Prozent gesenkt werden, wenn jeder nur eine Stunde pro Woche körperlich aktiv wäre.

Gehen und andere Bewegungsarten wirken sich positiv auf die Gehirnfunktion aus, da sie die Produktion neuer Gehirnzellen fördern. Diese wiederum sind auch wichtig für unser Gedächtnis und unsere Lernfähigkeit. Außerdem wirkt sich Gehen positiv auf unsere Muskulatur aus. Der Körper macht sich allerdings nicht die Mühe, die Muskeln zu erhalten, die er nicht regelmäßig verwendet.

Also: “Use it, or lose it”.

Eine in Ottawa, Kanada durchgeführte Studie erklärt außerdem, warum es unbedingt erforderlich ist, Training im Freien und an der frischen Luft durchzuführen, anstatt bequem auf einem Heimtrainer im Hobbyraum. In der Studie wurden die Testpersonen gebeten, eine bestimmte Distanz zu gehen – jedes Mal eine andere Strecke. Einige gingen am Ufer eines Flusses entlang, während andere durch Tunnel gingen. Nach dem Spaziergang wurden alle gebeten, ihre Stimmung einzuschätzen. Denjenigen, die draußen liefen, ging es viel besser.

Ob Du neue Gehirnzellen aufbauen, deine Muskeln stimulieren oder dich einfach besser fühlen möchtest, die Lösung ist immer die gleiche: Gehe spazieren, am besten im Freien – je grüner, desto besser!

Zusammenfassung

Also fassen wir nochmal kurz alles zusammen!

Gehen ist in vielerlei Hinsicht gut für unsere körperliche und geistige Gesundheit, nicht nur, weil Gehen Spaß macht, sondern weil die Wissenschaft es bewiesen hat. Das aufrechte Gehen wird durch einen komplexen neuronalen Prozess gesteuert, der unsere Stimmung, Kreativität und soziale Kompetenz steigert.

Wir alle, auch die Stadtplaner unter uns, sollten uns der Vorteile des Gehens bewusster werden. Außerdem lassen sich Probleme durch Gehen viel kreativer lösen. Wenn Du also das nächste Mal einen Geistesblitz brauchst, mach doch einen zweistündigen Spaziergang durch den Wald. Egal, ob es sich um einen schwierigen Kunden handelt, oder einen Freund, der Rat braucht.

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